Ich habe den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt! Da kam mir der hessische Unternehmerinnentag genau richtig, um unabhängige, selbstbewusste Frauen, die immer ein Vorbild und eine Quelle der Inspiration für mich sind, persönlich zu treffen. Die Veranstaltung fand dieses Jahr zum 18. Mal in der IHK Frankfurt statt und war zum ersten Mal mit über 600 Teilnehmerinnen (und wenigen Teilnehmern) ausgebucht. Es war auf jeden Fall ein spannender und motivierender Tag und ich nehme zahlreiche Denkanstöße für mich und meine noch ganz frische Selbstständigkeit mit nach Hause.

Ich war mit einer Freundin auf der Veranstaltung, die auch gerade dabei ist, sich selbstständig zu machen. Gemeinsam macht es mehr Spaß. 😉

Ohne vorweggreifen zu wollen schon mal ein kleines Fazit: Ich bin nicht sicher, ob ich im nächsten Jahr wieder dabei bin. Ist die Trennung von Männern und Frauen in diesem Feld wirklich hilfreich? Klar gibt es bewiesenermaßen Unterschiede in den Herangehensweisen. Ich denke aber, je häufiger wir über unsere Unterschiede reden, desto weniger nähern wir uns an. Vielleicht findet man mich dann beim nächsten Mal eher auf dem Unternehmertag – dem männlichen Äquivalent der Veranstaltung. Einfach, um eine Lanze für besseren Austausch und Gleichberechtigung zu brechen.

 Inhaltlich möchte ich mit euch drei Denkanstöße teilen, die ich besonders interessant fand.

1. Der Führungsstil in Unternehmen wandelt sich – und das ist gut so!

Raffaela Rein, eine junge, erfolgreiche Unternehmerin hat mich an diesem Tag besonders fasziniert. Sie ist im Bereich Technik erfolgreich, obwohl sie nicht IT studiert hat. Und was das Angestelltenverhältnis angeht, teilt sie meine Gedanken. Es dauert sehr lange, Veränderungen in etablierten Unternehmen durchzusetzen. Ideen müssen viele Abteilungen durchlaufen und werden verbürokratisiert, bevor sie tatsächlich umgesetzt werden.

Gleichzeitig herrscht eine andere Fehlerkultur, die das Beheben oder Korrigieren falscher Entscheidungen unnötig verhindern oder verzögern. In ihrer eigenen Firma hat sie einen  Prozess etabliert, bei dem ihre Mitarbeiter weitgehend selbstständig agieren. Wenn sie Fehler machen, stehen sie auf und machen es gegebenenfalls noch am gleichen Tag besser.

Rein ist sich durchaus bewusst, dass sie auch als Chefin nicht in allem Expertin ist. Ihre Lösung ganz nach Steve Jobs: „It doesn’t make sense to hire smart people and tell them what to do; we hire smart people so they can tell us what to do.“ Es ist unerlässlich, sich entsprechendes Know-how an Bord zu holen und gleichzeitig ein Klima zu schaffen, in dem Angestellte ihre Ideen einbringen können. Sie sieht sich weniger als Chefin, sondern eher als Coach. Jemanden, der darin unterstützt, das Beste aus sich herauszuholen. Wie ein Fußballtrainer. Das Tor müsse aber immer noch der Spieler schießen. Entscheidungen werden hier – klischeehafter Weise – am Tischkicker getroffen.

Innovationen fördern, Selbstständigkeit zulassen, vom Know-how des gesamten Teams profitieren. Das alles braucht eine offene Firmenkultur, in der auch angemessene Kritik ihren Platz findet. Wichtig dabei ist es, Kritik korrekt zu äußern und diese nicht persönlich nehmen. Eine einfache Lösung, die an diesem Tag mehrfach empfohlen wurde, und die ich persönlich auch sehr sinnvoll finde: Kommunikationstraining.

2. Was selbstständige Frauen besser machen als Männer – und was sie noch besser machen können

Das an Reins Vortrag anschließende Panel war besonders spannend und hat ein breites Spektrum an Meinungen und Sichtweisen zum Thema abgedeckt. Besonders lehrreich fand ich die Beiträge von Prof. Dr. Monika Schuhmacher. [1] Sie lehrt Innovations- und Gründungsmanagement und begleitet zahlreiche entstehende Projekte und Gründungen. Wer jetzt denkt, das sei nur Theorie, der täuscht sich. Sie hat bereits selbst den Versuch unternommen, sich selbstständig zu machen.

Für sie selbst hat sich in dieser Zeit vor allem eines manifestiert: Fast alle ihre Studenten haben Ideen. Aber häufig seien es Frauen, die mit Herzblut an einer Idee hängen. Deshalb fiele es ihnen auch besonders schwer, wenn sie mit der Selbstständigkeit scheitern. Männer seien da „opportunistischer veranlagt“. Ihnen gehe es mehr darum, sich überhaupt selbstständig zu machen. Dadurch sei es zwar schwierig für sie, ihr Ziel im Auge zu behalten und nicht bei der nächsten Gelegenheit, eine andere Idee zu verfolgen. Es fiele ihnen dadurch aber auch leichter, zum nächsten Projekt überzugehen, wenn das erste nicht erfolgreich ist.

Ein interessanter Ansatz, denn bisher kam mir diese Frage nicht in den Sinn: Habe ich den Schritt in die Selbstständigkeit unternommen, weil ich flexibel und meine eigene Chefin sein will? Oder will ich unbedingt lektorieren und das geht am besten als Selbstständige? Diese Einstellung hat natürlich konkrete Auswirkungen darauf, wie es im Falle des Scheiterns weitergeht: Mache ich mit einer anderen Sache weiter oder lande ich wieder auf dem Arbeitsmarkt? Fragen, mit denen sich wohl jeder vor einer Gründung beschäftigen sollte.

Prof. Dr. Schuhmacher konnte parallel beobachten, dass männliche Studenten häufig mit einer Idee in ihre Sprechstunde kommen, während Studentinnen neben einer Idee auch gleich den dazugehörigen Plan zur Umsetzung in petto haben.

Gleich zu Beginn der Veranstaltung sprach Herr Minister Al Wazir davon, dass Frauen zwar sehr gut darin sind, Kontakte zu knüpfen. Männer würden sich aber mehr um Seilschaften bemühen. Sie würden tatsächlich voneinander profitieren und sich austauschen, während Frauen eben… einfach den Kontakt halten. So richtig konnte ich das aus eigener Erfahrung nicht unterschreiben. Toll fand ich aber seinen Aufruf, dass Frauen sich nicht scheuen sollten, sich auch von Männern Input zu holen.

3. Traurig, aber wahr: Auch Frauen halten Frauen klein

Dass Männer Frauen im Bewerbungsprozess häufig nicht vorurteilsfrei begegnen und ihren weiblichen Kolleginnen Steine in den Weg ihrer beruflichen Karrieren legen, ist häufig immer noch gängige Praxis. Umso erschreckender ist, dass wir Frauen unseren männlichen Kollegen hierbei häufig in nichts nachstehen.

Eine Stimme aus dem Publikum berichtet von einer Klientin, die Kinder hat. Sie habe sich auf eine Stelle beworben, die nicht nur perfekt auf ihr Profil gepasst hat, sie sei auch noch sehr ehrgeizig und intelligent. Doch als sie der Personalerin gegenüber im Vorstellungsgespräch erwähnt, dass sie Kinder hat, haben sich erst mal die Mundwinkel nach unten gezogen. Die Stelle habe sie nicht bekommen.

Ich habe der Geschichte gelauscht und dachte, es wäre die Geschichte einer meiner Freundinnen, der genau das gleiche passiert ist. Und auch die Expertinnen auf der Bühne stimmen der Beobachtung zu: Tatsächlich sei es heutzutage häufig so, dass Männer überhaupt nichts dagegen haben, wenn Frauen erfolgreich sind. Bei ihnen äußert sich Sexismus oft auf andere Weisen. Frauen hingegen sehen es nicht gern, wenn andere Frauen erfolgreich sind. Woran das liegen mag, kann ich nur mutmaßen. Vielleicht haben Frauen, die Erfolg haben, das Gefühl, dass sie sich stärker durchbeißen mussten, weil sie kein Mann sind. Und dann sind sie neidisch, wenn anderen Frauen das gleiche leichter gelingt?

In jedem Fall resultierte daraus der Appell von der Bühne: Liebe Unternehmerinnen. Sie alle befinden sich in der Position, für Chancengleichheit im Beruf zu sorgen. Verwehren Sie anderen Frauen nicht die Chance, die Sie sich selbst einmal gewünscht haben.

Schöne Abschlussworte für meinen ersten Unternehmerinnentag!

Wer zu Frau Reins Vortrag auch eine Stimme hören möchte, findet hier einen Bericht von Radio MAINLUX.

Mehr Bilder der Veranstaltung gibt es auf der Seite von jumpp.