Über KI muss man ja quasi schreiben, immerhin schreiben gefühlt alle auch m i t KI. Aber wie sieht das dann mit dem Lektorat aus? Müssen KI-Texte überhaupt überarbeitet werden und wenn ja, wie?
KI-Text im Schafspelz
Anfrage von einem potenziellen Kunden. Erst mal klingt es passend für mich: Gewünscht ist ein SEO-Lektorat, eigentlich aber doch mit Fokus auf Stil und nicht SEO. Und obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass sie dank Suchmaschine auf mich gekommen sind, scheinen sie noch nicht von meinen Fähigkeiten überzeugt: Sie möchten, dass ich einen Probetext lektoriere. Bezahlt oder unbezahlt ist nicht klar. Ich zerbreche mir den Kopf, wie ich am besten vorgehe und entscheide dann „ein kurzer Blick, was überhaupt zu machen ist, schadet nicht“.
Was ich sehe, sind anderthalb Seiten mit großzügiger Formatierung. Als Erstes fällt mir auf: Die Rechtschreibprüfung von Word hat nichts unterstrichen? Naja, muss erst mal nichts heißen. Doch dann gibt es auch stilistisch nichts zu meckern (dabei ist meckern … also äh, konstruktive Kritik mein Beruf). Es ist eher so, dass es dem gesamten Text an etwas fehlt – nämlich Informationsgehalt und Lebendigkeit. Also nichts fürs Lektorat.
Ich bin verwirrt. Ich kann kaum in einem Probelektorat überzeugen, in dem ich nicht viel anpasse. Und dann fällt der Groschen. Man hat mir einen KI-Text geschickt – und das passende Briefing, das die KI wohl auch erhalten hat (alle Punkte wurden wenig überraschend eingehalten). Irritiert und amüsiert stelle ich fest, dass es da wohl was klarzustellen gibt.
Der Stil in KI-Texten
KI macht keine stilistischen Patzer oder Rechtschreibfehler. Das Lektorat von KI-Texten hat deshalb kaum etwas mit dem Lektorat von „menschlichen“ Texten zu tun. Und wenn dann noch das Briefing übermittelt wird, das Grundlage für ChatGPT war, und dessen Einhaltung ich im Lektorat eigentlich überprüfen würde … Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine KI ein Briefing nicht einhält?
Die Unterschiede zwischen KI und menschlicher Sprache:
- Die Künstliche Intelligenz macht keine Flüchtigkeitsfehler, sie verwendet, anders als Menschen, nicht ähnliche Formulierungen und Wörter immer wieder, weil ihr Wortschatz sozusagen unbegrenzt ist.
- Bislang folgte noch jeder Content, den ich in ChatGPT angefragt habe, einem klaren roten Faden. Es gibt eine Einleitung und ein Fazit, für mehr Übersichtlichkeit werden Aufzählungen bzw. Listen benutzt.
- Es gibt keine Schachtelsätze oder Füllwörter, die der Rede wert wären.
- Gibt man eine klare Zielgruppe vor, passt die KI ihren Stil daran an. Menschen fällt es dagegen eher schwer, komplizierte Sachverhalte ohne Fachbegriffe wiederzugeben.
Das sind alles Dinge, die ich in einem Lektorat überprüfen und verbessern würde. Ist ein KI-Text also schon perfekt?
Was man beim Lektorat von KI beachten kann
Beim Lektorat von KI-Texten gibt es aus meiner Sicht eine grundlegend andere Zielsetzung als beim klassischen Lektorat: Ein KI-Text muss menschlicher werden, ein menschengemachter Text quasi weniger menschlich. Er soll insgesamt besser ins System passen. Die KI dagegen kann nichts anderes als System. Sie hat keinen individuellen Stil, keine Kreativität, sie denkt auch nicht mit, wie man das im Volksmund sagt.
Eine künstliche Intelligenz sagt also nicht „ich brauche zu Punkt x weitere Informationen“ oder „ich bin unsicher, ob ich diese Information richtig verstehe“. Im Zweifelsfall denkt sie sich Fakten aus, das nennt man Halluzinieren. Sie berät auch nicht bezüglich der passenden Ausdrucksweise oder einer Corporate Identity, solang man sie nicht explizit darum bittet. Sie macht also einfach das Beste aus dem, was man aus einem Briefing machen kann. (Selbst wenn das Briefing an sich bereits mangelhaft ist.)
Das bedeutet einerseits, dass man manchmal das Briefing, also den Prompt selbst, lektorieren sollte. Und andererseits, dass es KI-Texte gibt, bei denen sich ein Lektorat nicht lohnt. Grundsätzlich müsste sich auch ein Faktencheck anschließen, um das Halluzinieren aufzudecken.
Ein Beispiel:
Ein Kunde möchte einen Text für die Startseite der eigenen Website. Dabei handelt es sich um sehr spezifische Informationen und nicht um Allgemeinwissen, das man im Internet findet. Ein*e Texter*in benötigt in dem Fall einiges an Input, um etwas Individuelles schreiben zu können. Dazu muss man wissen, welche Daten man verwenden will, welche Fragen man stellen muss und das dann in ein kreatives Gewand hüllen. Beides kann die KI nicht so richtig. Die Frage ist auch, ob sich bei der ganzen Vorarbeit eine solche Automatisierung überhaupt noch lohnen würde.
Was KI sehr gut kann, ist, Informationen zu gliedern und aufzubereiten, die es im Internet bereits gibt. Handelt es sich also um weniger spezifische Texte, die länger sind, kann man im Lektorat immer mal wieder etwas „Menschliches“, etwas Kreatives einbauen – beispielsweise eine Metapher oder Storytelling – und erhält einen guten Text. Das habe ich auch schon gemacht!
Man könnte alternativ gemeinsam mit ChatGPT lektorieren und das Programm bitten, die eine oder andere Stelle auf eine bestimmte Weise umzuformulieren. Gibt man ChatGPT keine Anweisungen, in welchem Stil und für welche Plattform etwas formuliert werden soll, wird der Text dagegen immer generisch sein.
Ich habe nichts gegen KI, im Gegenteil
Ich nutze sie häufiger bei Fragen, die für Suchmaschinen zu speziell sind. Sie unterstützt ebenso dabei, auf neue Ideen zu kommen, Texte zu gliedern oder Rechtschreibfehler zu finden und Texte stilistisch zu bewerten.
Die KI kann uns aber nicht immer das Denken abnehmen. Texte für Websites oder Unternehmensbroschüren müssen besonders individuell sein. Nachfragen bei der Kundschaft und das Erstellen von Fragebogen und Briefings kann sie nur begrenzt übernehmen.
Bleibt noch die Frage: Hat man mir einen KI-Text zum Probelektorat geschickt, weil das der schnellste Weg schien? War es am Ende doch nur ein gut lektorierter Text mit schlechtem Briefing? Oder wollte die Agentur nun tatsächlich (lektorierte) KI-Texte an ihre Kunden verkaufen? Dagegen ist erst mal nichts einzuwenden, solange das auch kommuniziert wird.
Ich persönlich würde ja in den meisten Fällen den lebendigen Text mit ein paar stilistischen Schnitzern einem leblosen Text nach Lehrbuch vorziehen. Dann lohnt sich auch das SEO-Lektorat.
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Seit 2019 bin ich selbstständig als Online-Redakteurin und
im Online-Marketing und habe meiner Kundschaft zu mehr Anfragen verholfen.